Kuiseb Delta

Geheimnisse im Kuiseb Delta

Bleiche Knochen und Schädel liegen verstreut über den weiten, versteinerten Schlammflächen, legen Zeugnis ab von dem Leben und Sterben längst vergessener Generationen, denen die vermeintliche Einöde eine Heimat war…

In leuchtenden Gelb- und sanften Brauntönen heben sich in der frühen Morgensonne die stillen Dünen vom Blau des Firmaments ab. Hellgrüne !Nara-Büsche und capparis hereroensis, eine Art Kapernstrauch, setzen lebendige Farbakzente, ihre stacheligen Früchte verbergen sich wehrhaft zwischen den Zweigen, unter denen im Sand sich das Gesicht einer Puffotter abzeichnet, die auf einen unaufmerksamen Gecko wartet. Tok-Tokkies flitzen an den Sandbergen entlang, auf der Suche nach Nahrung in den vom Wüstenwind zusammen getragenen Büscheln aus Pflanzenresten, winzigen Holzstückchen, Gras- und Blütensamen.

2000 Jahre alte Fußabdrücke

Ein leichter Morgenwind weht über ausgetrocknete Schlammflächen, die sich im Laufe der Jahrhunderte während der Regenzeiten im Flussdelta gebildet und in dunklen Braun- und Grautönen Schichtweise angelagert haben. Fußspuren von Menschen und Tieren zeichnen sich auf dem versteinerten Grund ab. Winzige Kinderfüße kreuzen den Weg von Ziegen und Antilopen, imposante Spuren von Elefanten, Giraffen und sogar Nashörnern haben sich verewigt im uralten Schlamm, den die Sonne mit ihrer unbarmherzigen Hitze, die sich in Sommermonaten zwischen den Dünen staut, ausgetrocknet hat.

Üppige Vegetationsgürtel müssen das Flussdelta des Kuiseb vor Jahrhunderten umgeben haben, zu Zeiten, als die heute versandeten Flussläufe regelmäßiger ungehindert das Meer erreichten und der Wüstensand von Süden her noch nicht so weit vorgedrungen war. Ein Blick auf die topografische  – Karte enthüllt, dass der Kuiseb wie eine natürliche Grenze den Dünen Einhalt gebietet. Bis heute birgt das Kuiseb-Delta mehr Leben als die trockenen Wüstenzonen, selbst Springbockherden, braune Hyänen und Schakale sind hier zu finden.

„Einige der Fußabdrücke im Kuiseb-Delta wurden von Wissenschaftern auf fast 2000 Jahre datiert“, erklärt Fanie du Preez, der mit seinem Unternehmen „Kuiseb Delta Adventures“ Touristen und Einheimische auf einer faszinierenden Quadbike-Tour am Flussbett entlang führt. „Hier haben zahlreiche Tierarten über lange Zeiten hinweg gelebt, und das Grundwasser im Flussbett reicht an manchen Stellen noch heute bis knapp unter die Oberfläche des leblos scheinenden Sandes“, erklärt Fanie, der diese Gegend kennt wie kaum ein anderer. Die gute Regenzeit der letzten Saison hat den Kuiseb als mächtigen Strom durch die Dünenlandschaft vom Landesinneren her bis in den Atlantik hinein durchbrechen lassen, die Grundwasserreserven wurden aufgefüllt, und wer an manchen Stellen gräbt, entdeckt bereits nach 40 cm süßes, schmackhaftes Trinkwasser, das für Mensch und Tier ohne Weiteres genießbar ist, wie Fanie beweist, indem er es mit einer tiefen Muschel, die vor ewigen Zeiten den hier beheimateten Menschen als Trinkschale gedient haben mag, aus dem Sandloch schöpft.

Traditionelles Leben der Topnaars

Einen halben Tag lang führt Fanie du Preez seine Gäste durch die beeindruckende Dünenlandschaft und enthüllt so manches Geheimnis, dass diese auf den ersten Blick unwirtlich scheinende Gegend in sich trägt.

Hier waren unzählige Generationen von Topnaar beheimatet, die als „Strandläufer“ vom Fischfang und den beliebten !Nara-Melonen lebten. Durch die zunehmende Versandung des Kuiseb Riviers wurde ihr direkten Weg zum Meer versperrt, erklärt Fanie, und so blieben ihre heutigen Nachfahren in ihren Siedlungen entlang des Trockenflusses isoliert in ihrer traditionellen Lebensweise, abgeschlossen von der sogenannten Zivilisation, die nur wenige Kilometer entfernt sich in hohen Geschäftshäusern und Läden mit allem, was ein moderner Mensch zu brauchen scheint, manifestiert. Die !Nara dient ihnen noch heute als Hauptnahrungsmittel, sie verarbeiten die Kerne und das Fruchtfleisch, kochen und fermentieren die an Vitaminen und Mineralstoffen reiche Kürbisfrucht, so dass sie auf vielfache Weise und immer wieder in anderer Form eine schmackhafte Mahlzeit oder einen Snack auch in den Zeiten liefert, in denen der Strauch keine Früchte trägt.

Nur zweimal habe er im vergangenen Jahr Fleisch gegessen, erklärt ein Topnaar, der in seiner aus Holzresten und Plastikplanen gebauten Hütte zwischen den Dünen lebt. Nur eines seiner drei Kinder besucht die „Topnaar-Schule“ unweit der Forschungsstation Gobabeb bei Homeb, für die anderen reicht das Geld nicht aus, das er aus dem Verkauf von !Nara-Kernen erzielt. Der Erlös reicht darüber hinaus nur für wenige Sack Maismehl, aus denen er Milliepap kocht, das mit dem Fruchtfleisch des stacheligen Wildkürbisses zu einer Mahlzeit kombiniert wird.

Zahllose Generationen seiner Vorfahren lebten hier am Kuiseb, versichert er, der Flusslauf und das Meer haben sie ernährt und auch er und seine Kindern werden hier weiterhin leben, im Einklang mit der Natur und dem, was sie ihnen bietet. Heute leben hier noch zwischen 300 und 400 Topnaarfamilien. Eine Arbeit in der Stadt können sie sich nicht vorstellen, zu sehr sind sie in ihren Traditionen verhaftet, an das Leben in dieser noch weitgehend unberührten Natur, der sie das tägliche Überleben abringen. Gebogene Stöcke tragen sie am Gürtel mit sich, um die !Nara zu ernten, denn häufig lauern Schlangen im undurchdringlichen Gestrüpp, die nicht nur für Kleintiere, sondern auch für Menschen den Tod bedeuten können. Selbst schwarze Mambas wurden hier gesichtet.

Friedhöfe im Schlamm des Deltas

Bleiche Knochen und Schädel liegen verstreut über den weiten, versteinerten Schlammflächen, legen Zeugnis ab von dem Leben und Sterben längst vergessener Generationen, denen die vermeintliche Einöde eine Heimat war. Fragmente von Tontöpfen weisen auf einen Beerdingungskult hin, der die Mitgabe von Lebensmitteln an die Verstorbenen dokumentiert und damit einen Hinweis liefert, dass diese Vorfahren bereits an ein Leben nach dem Tod glaubten.

Scherben holländischer und portugiesischer, gebrannter Gefäße liegen vereinzelt dazwischen, Steinwerkzeuge, uralte Straußeneier, die als Trinkwasserbehälter von den Khoi genutzt wurden und ein seltener Tonkrug mit zwei Henkeln, dessen Boden herausgebrochen ist, legen stilles Zeugnis ab über Bräuche und Sitten, deren Rituale bisher nicht erforscht wurden. Von Zeit zu Zeit weht der Wind diese Exponate frei, bis die Dünen sie wieder mit Sand bedecken für die nächsten Jahrzehnte.

Kaum wagt man, über diese stille Fläche mit ihren bleichen Knochen zu laufen, ein Hauch von Ehrfurcht umgibt diesen Ort, über dessen Ursprung man bis heute so wenig weiß.

Als „historische Tour“ bietet der gebürtige Namibier Fanie du Preez seine Ausflüge mit Quadbikes von Walvis Bay aus an, erklärt die Handhabung der vierrädrigen, leicht zu handhabenden Vehikel, mit denen auch Ungeübte mühelos durch die Dünenlandschaft fahren können. Der Wind weht die Spuren wieder zu, kein Schaden wird an der kostbaren Natur angerichtet. Die über mehrere Stunden dauernde Tour verspricht nicht nur Spaß und Abenteuer in den Dünen des Kuiseb-Deltas, sondern vermittelt auch kulturelle Anblicke in eine geheimnisvolle Welt, die im Verborgenen liegt und in der Stille der Wüste auf ihre Entdeckung wartet.

Konny von Schmettau

©[current year] Namibia Reise

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